Eine Kantate gegen Lug und Trug und Heuchelei

300-jährige Bachkantate findet zahlreiche Zuhörer

Schwäbische Zeitung, Mittwoch, 5. Juli 2023
von Christel Voigt, Friedrichshafen


Das hatten die Veranstalter nicht zu träumen gewagt: Im Nu waren bei der Matinee am Sonntag die Programme ausgegangen und die ganze Schlosskirche voll mit Zuhörern, welche die Bachkantate BWV 24 „Ein ungefärbt Gemüte“ erleben wollten.

 

Kantor Sönke Wittnebel begrüßte zum Projekt „300 Jahre Leipziger Bachkantaten“ und dankte Matthias Klemm für seine Initiative und die Energie, mit der er das Projekt vorangetrieben hatte. Zwar sei die Sprache von Erdmann Neumeister, dessen Textvorlage Johann Sebastian Bach gewählt hatte, veraltet, doch der Inhalt spreche aus tiefer Lebenserfahrung. Auch für uns Heutige sei trotz aller negativen Schlagzeilen ein gesundes Verhältnis zu unserem Volk und Land zu wünschen, ein neues Schätzen von Werten wie Verlässlichkeit, Treue und Ehrlichkeit. So mahnt der Tenor im Rezitativ: „Die Redlichkeit ist eine von den Gottesgaben (…) Ein Christ soll (…) ohne Falsch und Tücke leben.“ Eindringlich führt der Chor den Gedanken fort mit den Worten „Alles nun, das ihr wollet, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen.“

Die Musik, die Bach in seiner Leipziger Zeit dazu komponiert hat, werde die Zeiten überdauern, sagte Matthias Klemm in seiner Einführung und wies auf die wunderbare Symmetrie der Kantate mit je zwei Rezitativen und Arien, die den prächtigen zentralen Chor umrahmen.

Klemm hat für die Aufführung eigens ein Bodensee-Bachkantaten-Ensemble gegründet und ließ im Voraus die Themen von Trompete, Oboen d'amore und Streichern vorspielen, auf dass man sie noch besser erfassen könne.

Wunderbar hüllten die Musiker das Geschehen, die Stimmen der Solisten Greta Hartleb (Sopran), Ruth Volpert (Alt), Martin Kirscht (Tenor) und Tobias Rädle (Bass) ein. Mit berührender Wärme gestaltete die Altistin die Eingangs-Aria „Ein ungefärbt Gemüte von teutscher Treu und Güte macht uns vor Gott und Menschen schön.“ Markant gestaltete Tobias Rädle in seinem Rezitativ das Wettern gegen die Heuchelei. In tröstlich wiegendem Rhythmus sprach zuletzt der Choral „O Gott, du frommer Gott“ mit seiner Bitte um ein reines Gewissen zur Seele, drang tief ein, zumal hier die Zuhörer aufgerufen waren, die letzten Strophen mit dem Chor mitzusingen. Großer Dank an die Musiker, die Solisten und Sänger der Kantorei an der Schlosskirche, dass sie die Probenarbeit auf sich genommen und den Zuhörern eine berührende Stunde geschenkt haben.

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