Leidenschaftlich erklingt Bachs Johannes-Passion in der Schlosskirche

Kantor Sönke Wittnebel verabschiedet sich mit großartiger Aufführung

Von Christel Voith

Tief berührend war die Aufführung von Johann Sebastian Bachs Johannes-Passion, mit der Sönke Wittnebel, scheidender Schlosskirchen-Kantor, am Karfreitag ein letztes Mal seine Zuhörer in der ausverkauften Schlosskirche beschenkte. Alle Mitwirkenden ließen Bachs Höhepunkt der barocken Oratorienkunst zum Erlebnis werden.

In den unterschiedlichen Stimmungen vom dynamischen Tongemälde des g-Moll-Eingangschors über die wütend herausgeschleuderten Turbachöre bis zu den innigen, demütig reflektierenden Chorälen zeigte sich die Kantorei an der Schlosskirche in ihrer bewährten Hochform, besonders schön in der Pianokultur der Choräle.

Bewährte Solisten eingeladen

Ein besonderes Hörerlebnis war das Barockorchester „Cappella santa croce“ aus Bremen, das durch Vermittlung des inzwischen als Kantor in Bremen tätigen Jonathan Hiese an den See gekommen war. Intensiv war so zu erleben, wie bewusst und kunstvoll Bach die Instrumentierung der einzelnen Stationen vorgenommen hat, wie er den Aufruhr der Natur nach der Kreuzigung ausgemalt, wie er den emotionalen Arien der Solisten Instrumente wie Flöte und Oboe d'amore oder tiefe Bläser bis zum Contrafagott zur Seite gegeben hat. Hiese selbst begleitete das Geschehen an der Orgel.

Eine Besonderheit dieser letzten Oratorien-Aufführung war auch, dass Wittnebel noch einmal die bewährten Solisten der Aufführung von 2009 eingeladen hatte. Hochdramatisch gestaltete der Ravensburger Tenor Ulf Gloede als Evangelist seinen Bericht, schon der Ton der Stimme ließ den Zuhörer miterleben, ob Jesus ein Backenstreich wie ein Peitschenhieb trifft oder das Volk seinen Tod fordert oder Petrus bitterlich weint, und der Hahn kräht. Ebenso eindringlich waren seine Tenorarien, in Zerrissenheit und Reue wie im zärtlichen Blick auf die Erlösung.

Nicht minder eindringlich gestaltete Bassist Martin Hempel aus Basel die Unschlüssigkeit des Pilatus wie auch das lyrische Arioso „Be­trach­te, meine Seel“. Als dritter Solist gestaltete Michael Pommer aus Leipzig Jesus in seinen Worten als in sich ruhenden, seiner Sendung wohl bewussten Mann. Neu war die Altistin Mareike Zorko aus Freiburg, die mit tiefer, warmer Stimme ihre Arien sang, seelenvoll sprach das „Es ist vollbracht“ zum Herzen.

Ersatz für erkrankte Sopranistin

Eine besondere Freude war, dass Wittnebel zwei Tage vor der Aufführung für die Arien der erkrankten Sopranistin die junge Greta Hartleb gewinnen konnte. Noch am Anfang ihres Gesangsstudiums stehend, gestaltete sie ihre zwei Arien wunderbar eindringlich, mit tiefem Empfinden sang sie das „Dein Jesus ist tot“.

Abgang im Stillen

Welch schöner Abschluss, wenn Bach zuletzt im innigen Choral Jesu Tod als Erlösungstat preist. Traditionsgemäß haben die Zuhörer die Kirche nach dem Glockenläuten in Stille verlassen.