„Luther“-Pop-Oratorium - erschreckend aktuell

Aufführung aller Chöre an der Schlosskirche

Schwäbische Zeitung, Samstag, 25. Nov. 2023

An zwei Abenden im Oktober bot das Pop-Oratorium „Luther“ bei fast ausverkaufter Schlosskirche in Friedrichshafen für die Chöre an der Schlosskirche die Möglichkeit, noch einmal ein bejubeltes gemeinsames Werk unter der Leitung ihres im nächsten Jahr scheidenden Dirigenten KMD Sönke Wittnebel aufzuführen.

Zirka 90 Singende aus der Kantorei, dem Gospelchor, dem Jugendchor und der Mädchen- und Jungenkantorei konnten dabei sein und meisterten ihren Part kraftvoll und waren auch szenisch lebendig eingebunden.

Sven Hanagarth, der vor seinem Kirchenmusikstudium wesentliche Impulse in der kirchenmusikalischen Arbeit an der Schlosskirche erhalten hat, füllte die Luther-Solorolle sängerisch und im Spiel beeindruckend aus. Mehr als 30 vielfältige solistische Sprech- und Singrollen konnten alle aus den aktuellen „Schlosskirchen-eigenen“ Chören besetzt werden.

In monatelangem Vorlauf waren zum Beispiel die musikalischen und szenischen Proben und die Suche nach Gewändern vorangegangen. Die frappierende Ton- und Lichttechnik der Firma Havemann aus Köln bot die seltene Möglichkeit, die Schlosskirche architektonisch ganz neu wahrzunehmen. Die Lichtregie unterstützte das emotionale Geschehen des Pop-Oratoriums. Unterstützt wurden die Mitarbeitenden der Firma von Schülerinnen und Lehrkräften der Technik-AG der Realschule St. Elisabeth.

Viele Aspekte der kirchlichen Identität der lutherischen Protestanten wurden durch das Stück deutlich.

Erschütternd aktuell sind aber auch Themen wie der Machterhalt von staatlichen - und leider auch kirchlichen - Institutionen um jeden Preis, Geld als Götze und der fadenscheinige damalige Missbrauch des Ablasses, aber auch die erschreckende „unheilige Allianz“ von Kirchen mit dem Staat.

Das gleiche Phänomen mit zweifelhaften „Führern“ in heutigen Religionen schwang beunruhigend mit. Die ambivalente Wirkung von neuen Medien damals und heute erstaunte, ebenso versetzte der Versuch ihrer Unterdrückung in Unruhe.

Es bleibt unglaublich, wie sich Martin Luther gegen die geballte Macht des Abendlandes stellte! Die Religionsgeschichte und die Auswirkungen auf unsere westliche Gesellschaft sind kaum zu überschätzen. Dass diese Fragen vielen ein Anliegen sind, konnte man an dem großen Zuspruch in der Schlosskirche ersehen.