Konzertkritik des Südkurier vom 13.10.2015:

Einfach wie im Himmel

Gospelchor Almost Heaven rockte die Frohbotschaft in der vollen Häfler Schlosskirche
Text und Bild von Thomas Kapitel

 

So lebensfroh kann Kirchenmusik sein: Was der Gospelchor „Almost Heaven“ am Samstag in der Schlosskirche Friedrichshafen bot, hat mit einem herkömmlichen Kirchenchor im hiesigen Sinne wenig zu tun. Das war die gesungene Frohbotschaft schlechthin.

Wenn Gospel, dann richtig. Wo andere Kirchenchöre sich einen bunten Schal umhängen und sich mitwippend an amerikanischen Synkopen versuchen, ziehen die Häfler lange Gewänder an und gehen voll aus sich raus. Gut, das ist nicht Harlem und nicht Alabama, aber die Annäherung stimmt.

Es war ein Benefizkonzert für die Aktion „Häfler helfen“. Eintritt frei. Spenden erbeten. Entsprechend rappelvoll war die Schlosskirche. Sehr zur Freude von Kirchenmusikdirektor Sönke Wittnebel. Zum bekannten „Kumbaya“ ließ er gleich alle Mitsingen; Textblätter fanden sich auf den Sitzen. Den Flügel frontal zum Chor dirigierte Wittnebel strahlend und mit lockerer Hand, unterstützt von Regine Koschel am Key- board und Harald Weishaupt an einem sehr unaufdringlichen Schlagzeug. Schließlich waren es die Sänger, die hier die Musik machten. Sie gingen bei „Walking in the Light“ im ansteckenden Blues-Shuffle; hatten „Jesus on the Mainline“ im groovenden Boogie-Rock.

 

Teach me Love“ und „Sometimes I feel like a motherless Child“ – die ruhigen Spirituals hatten nicht nur aktuellen Bezug zur Heimatlosigkeit der Flüchtlinge, sondern überraschten mit schönem Chorsatz in moderner Harmonik, sehr filigran und „jazzy“. „Motherless Child“ war rein musikalisch die Überraschung des Abends. Dazwischen „Amazing Grace“ zum Mitsingen und immer wieder Lieder der Hoffnung nach dem Licht und auf Gott, der alle Tränen trocknet, allen Frevel aufdeckt und für Gerechtigkeit sorgt – spätestens im Himmel.

 

God spell“ – das ist schließlich das Wort Gottes und nicht irgendein Liedtext. „Almost Heaven“ bringt genau das rüber, mit sehr viel Herz und Temperament. Minimale Choreografie, dafür viel eigene Bewegung, von innen heraus. Individuelle Botschaften; Glaubenszeugen allesamt. Mal ausgearbeitet mehrstimmig, mal unisono und fröhlich geradeaus. Mit wunderbaren Solisten aus eigenen Reihen, wie Astrid Grosse, Willi Böhler oder Julia Funes. Sie rockten ihre Seele im Schoße Abrahams, nahmen ihr Kreuz und folgten Jesus. „I will follow Him“, seit „Sister Act“ vom Schlager zum Kirchenlied mutiert, klang schöner als im Film. Und als dritte Zugabe das unvermeidliche „O happy Day“.

Blumen und Lob gab’s für Wittnebel von seinen strahlenden Sängern: „Wir sind stolz, in diesem Chor singen zu dürfen.“ Da hat er offensichtlich etwas goldrichtig angepackt: „Almost Heaven“ ist ein Chor, der glücklich macht.