Thomas Selle wurde am 23. März 1599 in Zörbig bei Bitterfeld (heute: Sachsen-Anhalt, früher preußische Provinz Sachsen) geboren. Über seine Jugend und Familie weiß man nicht viel. Vermutlich war er unter Sethus Calvisius und Johann Hermann Schein Alumnus an der Thomasschule in Leipzig. Selle war ab 1622 als Student an der Universität Leipzig eingeschrieben. Bereits ein Jahr später erschien sein erstes Werk in Rostock im Druck. Ein weiteres Jahr später (1624) trat er seine erste Anstellung als Schulmeister im weit entfernten Ort Heide (Holstein) an. Unklar ist, was den Sachsen Selle dazu geführt hat, an die Nordseeküste zu ziehen. Noch im gleichen Jahr bringt Selle zwei weltliche Sammelwerke heraus. Im Jahr 1625 übernahm Selle im nur 15 Kilometer entfernten Wesselburen die Stelle des Rektors, die er bis 1634 inne hatte und die auch die Leitung der Kirchenmusik umfasste.

Hatte Selle in Heide fast ausschließlich nur weltliche Werke geschaffen, so stand in Wesselburen nahezu ausschließlich die Kirchenmusik im Fokus seines Schaffens. 1629 heiratete er Anna Weihe. Ein Jahr später lernte er Johann Rist kennen, den er zeitlebens zu seinen engsten Freunden zählte. Rist gilt neben Paul Gerhardt zu den wichtigsten evangelisch-lutherischen, geistlichen Dichtern von Kirchenliedern. Von 1634 bis 1641 bekleidete Selle das Amt des Kantors in Izehoe. Ab 1635 bis zu seinem Tod komponierte Selle seinen Ämtern entsprechend nur noch geistliche Werke.

Im Sommer 1641 wurde er ehrenvoll in das Kantorat am Johanneum in Hamburg berufen. Man kann diesen Wechsel durchaus als Karrieresprung betrachten. Hamburg war zu jener Zeit eine Stadt, die Geld hatte und sich prachtvolle Gestaltung von Feierlichkeiten und Kirchenfesten wie zum Beispiel des Reformationsfests leisten konnte. Selle erreichte in dieser Blütezeit des frühbarocken, norddeutschen Kantorentums erhebliche Veränderungen der hamburgischen Kirchenmusik. So gründete er eine Kantorei aus acht, später zehn, Sängern bestehenden Konvikts. Zum Teil waren dies Absolventen der Johannisschule, an der er den Gesangsunterricht ausbaute und umgestaltete. Ab 1638 standen ihm für die Sonntagsgottesdienste vier Instrumentalisten zur Verfügung. Ferner gelang es ihm, neben Rollbrüdern (Musikerbruderschaft) einige Turmbläser zu gewinnen, so dass er mit bis zu zwanzig Musikern, darunter Streicher, Holz- und Blechbläsern, arbeiten konnte.

Thomas Selle starb 64-jährig in Hamburg.