Der Komponist Georg Gebel der Jüngere (1709-1753) dürfte wohl nur wenigen bekannt sein. Obwohl er zu Lebzeiten ein hoch geschätzter und beliebter Künstler war, gerieten seine Kompositionen nach seinem Tode rasch in Vergessenheit. Dabei hatte Gebel überaus viele Werke seiner Nachwelt hinterlassen. Ein großer Teil, vermutlich sogar der größte Teil seiner Werke ging allerdings verloren. Das Autograph seiner Johannes-Passion schlummerte über Jahrhunderte in Archiven und befindet sich jetzt im Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt (Schloss Heidecksburg), bis 2004 der Musikwissenschaftler Prof. Manfred Fechner beim Friedrich Hofmeister Musikverlag in Leibzig Notenmaterial herausgab. Anlass für die Notenedition war die CD-Einspielung von Gebels Johannes-Passion zum 250. Todestag des Komponisten im Jahr 2003. Gebel starb, nicht ganz 44-jährig, am 24. September 1753 in Rudolstadt.

Georg Gebels Vater Georg Gebel d. Ä. (*1685 in Breslau, † um 1750 ebenda) lernte zuerst das Schneiderhandwerk und wurde mit 18 Jahren Klavierschüler des Breslauer Domorganisten Franz Thiburtius Winckler. Er wirkte später zunächst als Organist und Musiklehrer sowie als Generalbassspieler der pfalzgräflichen Hofkapelle in Breslau. Ab 1709 war er als Organist an der Pfarrkirche Brieg (Schlesien) tätig, bevor er im Jahr 1713 als Organist an der Sankt Christophori-Kirche nach Breslau zurückkehrte. Ein Jahr später wurde er dort zum Musikdirektor berufen wurde und war ab 1749 Organist der Breslauer Hospitalkirche. 1709, im ersten der vier Jahre, die Georg Gebel d. Ä. in Brieg lebte, kam sein Sohn Georg Gebel der Jüngere zur Welt. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sechs Jahre später Georg Siegmund Gebel in Breslau das Licht der Welt erblickte. Er wurde ebenfalls Musiker und Komponist, erlangte aber nie die Bedeutung seines älteren Bruders.

Georg Gebel d. J. erhielt seine musikalische Ausbildung von seinem Vater, denn diesem ist die musikalische Hochbegabung seines Sohnes keineswegs verborgen geblieben. Wohl von gewissem Stolz und Ehrgeiz getrieben betrieb er alsbald die „Heranzüchtung“ des Knabens zum Clavier und Orgel spielenden sowie komponierenden „Wunderkind“. So kam es alsbald zur „Vorführungen“ des jungen Gebel in der Breslauer Gesellschaft. Mit sechs Jahren wurde er von vornehmen Standespersonen, welche sich damals sehr häufig in Breslau befanden, in ihre Häuser eingeladen, wo er sich in Gegenwart der Großen mit viel Bewunderung hören ließ. Überliefert ist beispielsweise auch, dass sich der zwölfjährige Gebel mit seinem Vater zu einer Orgelübernahme nach Oels begab, weil „der Herzog und dero Gemahlin diesen kleinen Organisten als etwas seltsames zu hören“ beabsichtigte . Auch wurde der Heranwachsende immer häufiger ersucht, „auf Hochzeiten Cantaten zu componiren“.

Als 20-Jähriger übernimmt der junge Gebel die Stelle des Vizeorganisten an Breslaus Maria-Magdalenen-Kirche und nur kurze Zeit später wird er vom Herzog Karl Friedrich von Württemberg-Oels zum Kapellmeister der zwar kleinen, aber mit vortrefflichen Virtuosen bestückten Hofkapelle berufen. Dieses Amt brachte es mit sich, dass er ungemein viel zu komponieren hatte. Ein unbekannter Verfasser einer Biographie von Georg Gebel d. J. berichtet: „Es können aber alle seine Sachen nicht erzählet werden, weil ihm meistenstheils die Partitur mit abgefordert, aber nicht wieder mit zurückgegeben ward, weil ein jeder, der sich etwas von ihm hatte aufsetzen lassen, solches als was sehr Schönes für sich allein aufhob“.

Dies führte allerdings dazu, dass viel von seinen Kompositionen wohl verloren ging. Gleichwohl listet der erwähnte Autor ein umfassendes Oeuvre von Solo- und Ensemble-Konzerten auf, ferner zwei Kirchenjahrgänge, einige Dutzend Sinfonien, Trios, Parthien, Duette etc. Auch wenn diese Auflistung nur summarisch von Gebels außerordentlicher, kompositorischer Produktivität kündet und keineswegs als gesicherter Werkkatalog zu interpretieren ist, so lässt es doch ganz deutlich werden: nämlich jene bereits zu Lebzeiten des Komponisten einsetzende Zerbröselung des Werkbestandes, die schließlich dazu geführt hat, dass Gebels Kompositionen zu großen Teilen als verschollen zu beklagen sind.

Im Jahr 1735 wechselt Gebel von Oels nach Warschau bzw. Dresden, um in der Privatkapelle des Heinrich Graf von Brühl als Cembalist zu wirken. Brühl war Premierminister des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs. Auf Drängen von Brühl erlernte Gebel das Spiel auf dem Pantalon, ein von Pantaleon Hebenstreit (1667-1750) entwickeltes Hackbrettinstrument und übertraf hinsichtlich Spieltechnik binnen eines Jahres den Entwickler des Instruments. Auch in Dresden hat Gebel viel komponiert. Der bereits erwähnte anonyme Verfasser von Gebels Biographie, die übrigens 1754 vom Musiktheoretiker Friedrich Wilhelm Marpurg zum Abdruck gebracht wurde, erwähnt „einige Dutzend Sinfonien und Ouvertüren, sehr viele Konzerte für verschiedene Instrumente, eine Operette wie auch ein Paßions-Oratorium und sonst viele Kirchenstücke“.

Dresden sollte aber auch in anderer Hinsicht Gebels Leben beeinflussen. Er machte Bekanntschaft mit einer Malerin fast gleichen Namens: Maria Susanna Göbel. Nicht nur, dass sie seine Frau wurde, sie verführte ihn auch zur Malerei. Was allerdings aus dem bildkünstlerischen Werk von Gebel geworden ist, der auch in seiner Rudolstädter Zeit gleichermaßen zur Notenfeder, wie auch zum Pinsel gegriffen haben soll, muss noch geklärt werden.

Nach elfjähriger Tätigkeit als Cembalist in der Kapelle des Heinrich Graf von Brühl gibt Gebel diesen Posten auf. Möglicherweise hat die von Brühl angedachte Auflösung der Privatkapelle ihn zu diesem Schritt bewogen. Er übernimmt in der Kapelle der Schwarzburgischen Residenz in Rudolstadt (Thüringen) zunächst den verwaisten Posten des Konzertmeisters und ist dem 61jährigen Kapellmeister Johann Graf beigeordnet, beerbt bereits dessen Posten nach Grafs Tod im Jahr 1750. Sein Dienstherr Fürst Johann Friedrich war von Gebels Arbeit als Musiker, „Anführer“ (des Orchesters) und Organisator höchst zufrieden.

Von seinen kompositorischen Werken war der Fürst, wie es bei Marpurg heißt, so sehr angetan, dass es schien, „als wenn er fürderhin nicht mehr gerne etwas anhören wollte, das nicht von der Hand des Herrn Capellmeisters aufgesetzet worden sey“. Solcher Wertschätzung wollte sich Gebel nun als würdig erweisen und „war daher in der Arbeit so unermüdet, dass er oft einige Tage und Nächte, ohne der Ruhe zu pflegen, verharrete“. Seiner Gesundheit war allerdings diese Rastlosigkeit und Arbeitssucht nicht zuträglich. Schon im Frühjahr 1753 erlitt er eine Psychose, welche ihn zwar noch zur Ausübung der Musik, nicht mehr aber zum gesellschaftlichen Umgang befähigte. Trotz Kur-Reisen und anderer „Ergötzlichkeiten“ waren die Bemühungen, ihn der Krankheit zu entreißen, vergebens. Gebel starb, gut einen Monat vor Vollendung seines 44. Geburtstages, am 24. September 1753.

Vermutlich hat, neben dem nachlässigen und wohl teilweise selbst verschuldeten Umgang mit seinen Kompositionen, der frühe und tragische Tod dazu beigetragen, dass Gebel außerhalb seines unmittelbaren Wirkungskreises rasch in Vergessenheit geriet bzw. anderenorts kaum oder gar nicht zur Kenntnis genommen wurde.

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Zusammengestellt von Bernhard Conrads, weitgehend unter Verwendung von Texten aus dem Booklet der CD "Georg Gebel d. J., Johannes-Passion", erschienen 2003 unter dem Label CPO.