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einrich Schützens Motetten der Geistliche Chormusik von 1648 gehören zum Bedeutendsten, was im protestantischen Kontext komponiert worden ist.
Er, der nach und nach seine ganze Familie verlor, gilt in seiner musikalischen Ausdeutung - insbesondere des Lutherwortes - als der größte protestantische Komponist vor J. S. Bach. Die Werke des auch als Musicus poeticus Bezeichneten ruhen in sich durch ihre Ordnung und Glaubensgewissheit. Große emotionale Ausbrüche werden zwar vermieden; die Kompositionen breiten aber ein tief gehendes inneres Leuchten aus und vermögen gerade auch uns heutigen Menschen viel Zuversicht zu geben.

Die Kantorei an der Schlosskirche ist dabei, ein größeres Repertoire dieser Vertonungen aufzubauen und sich an die Interpretation dieser Glauben stärkenden musikalischen “Juwelen” heranzuwagen. Sie steht darin am Anfang dieses Weges. Ziel ist die immer tiefere Durchdringung der Kompositionen und die Erweiterung des Repertoires auf möglichst viele der Motetten der Sammlung. Diese wurde 1648 - also im Jahr des Westfälischen Friedens, der den furchtbaren 30-jährigen Krieg beendete - herausgegeben. Gerade in einer Zeit des Vergehens - damals wie heute - sind sie ein überzeugendes und tröstliches Symbol des Bleibenden, des Beständigen.

Unseren Zuhörern bieten wir nun in der heutigen diesjährigen dritten Matinée in der Schlosskirche eine erste Aufführung von sieben der Motetten - von 5-8-stimmigen Vertonungen vor allem von Bibelworten sowie abschließend der deutschen Fassung des Da pacem, domine, Verleih uns Frieden genädiglich von Martin Luther.

Zwischen den vielstimmigen Motetten erklingen drei so genannte Kleine geistliche Konzert, die im Rahmen der desolaten Zustände während des 30-jährigen Krieges entstanden sind. Sie kommen mit wenigen Solostimmen aus und einer Generalbassbesetzung, konnten so also auch mit einer kleinen Gruppe von Musikern realisiert werden. Die Beschränkung der äußeren Mittel hat aber keinen Einfluss auf den musikalischen Gehalt: Den Inhalt und die Bilder der Kompositionen “übersetzt” der Musicus poeticus auf kunstvollste Weise ebenso in Musik wie die - wie wir heute sagen würden - Gefühle. Inhaltlich fügen sich die drei Kleinen geistlichen Konzerte nahtlos in den Gedankenstrom der groß besetzten Motetten ein.

Im Überblick gesehen geht dieser inhaltliche “Faden” der heutigen Auswahl von der Menschwerdung Christi aus - der Zu-Wendung Gottes zu uns Menschen. Es folgen das Vertrauen auf ihn und die Hoffnung, durch schwere Zeiten hindurch von ihm getragen zu werden.

Nach der Vision der Seligkeit der Verstorbenen und dem Osterjubel mit der Erwartung der eigenen Auferstehung verabschieden wir uns von unseren geschätzten Zuhörern mit der Bitte um den aktuellen Frieden in unserer heutigen Zeit.

Vermutlich kommen wir Menschen in unserer zugleich faszinierenden und gebrochenen Welt zu keiner Zeit ohne diese Friedens-Bitte an unsern Schöpfer aus.

 

 

Sönke Wittnebel