Konzertkritik des Südkurier vom 14.11.2016:

 

Stürmische Zeiten in der Kirche

 

 

Mädchen- und Jungenkantorei begeistert mit facettenreich inszen­ier­tem Jona-Musical in der Schlosskirche

von Andrea Büchner, Bild: Rüdiger Schall

 

Was? Nach Ninive soll ich gehen und solch eine schreckliche Nachricht überbringen? Nein, nein!“, schreit Jona seinen Protest laut heraus und widersetzt sich Gottes Willen. Statt Gottes Auftrag auszuführen läuft er davon, so weit weg wie möglich. Hauptsache, Gott findet ihn nicht!

Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Jona und dem Wal? Am Samstag ließ sie die Mädchen- und Jungenkantorei unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Sönke Wittnebel in der Schlosskirche lebendig werden. Knapp 30 Mädchen und Jungen führten Michael Hurds Musical-Kantate Jonah Man Jazz auf. Die Texte der Spielszenen schrieb Irmtraud Weber, Mesnerin der evangelischen Erlöserkirchengemeinde Friedrichshafen.

Ein starker Wind ist aufgekommen“, beschreibt die Erzählerin das aktuelle Geschehen auf der Bühne. Diese ist zu einem Boot im peitschenden Sturm geworden. Die Matrosen, gespielt von einem Teil der Jungenkantorei, versuchen verzweifelt, die Kontrolle über das Schiff zu behalten. Begleitet von furchteinflößenden Geräuschen und Lichteffekten kann das Publikum die Angst der Seeleute hautnah spüren. Und dann kam ein Sturm so stark wie noch nie, singen sie und fragen: „Wo ist der, der unserer Reise Unglück bringt?“ Hat Jona seine eigenmächtige Reise zunächst voller Überzeugung geplant, musikalisch in reinster Tom-Dooley-Western-Manier ein Boot gesucht und gefunden, muss er nun seine Schuld eingestehen. Kaum ist Jona über Bord, beruhigt sich der Sturm und die Matrosen atmen auf. Die Aufführung lebt von der Freude der Kinder am Singen und Spielen, begleitet vom engagierten Klavierspiel ihres Chorleiters. Akustische und visuelle Effekte verstärken die Lebendigkeit. Selbst die Bühne lebt mit. Sie wird zu Jonas Fluchthafen, zur großen Stadt Ninive, zum Herrscherpalast und selbstverständlich zum Walfischbauch. „Irgendwie riecht es hier so muffigg, so modrig, so eklig“, beschwert sich Jona und entlockt dem Publikum einen Lacher. In der Kirche ist stockfinster. Nur das nebulöse Innere des mit Hilfe eines schwarzen Tuches improvisierten Walfischbauches ist angestrahlt. „Vor Gott kann ich nicht weglaufen. Vor ihm kann ich mich nicht verstecken“, begreift Jona. Gott erneuert seinen Auftrag und schickt Jona abermals nach Ninive. In zügiger Abfolge wechseln Spielszenen mit Liedern.

 

Das Jona-Motiv zieht sich bodenständig getragen und dennoch intensiv nachdrücklich durchs gesamte Musical. Die lockere parodistische Musik mit ihren Jazz- und Popelementen und das szenische Spiel ergänzen einander hervorragend. Jazzig flott lassen die Kinder das verlotterte Ninive lebendig werden, „die Stadt, wo schon lange kein Mensch mehr Gutes tut“. Die Einwohner brüsten sich in aller Öffentlichkeit mit ihren schlechten Taten. Jona, vom Anblick der Stadt aus der Ferne zunächst fasziniert, ist entsetzt. Er sieht nur Streit, Betrug, Wucher, üble Nachrede, Verschwendungssucht, Unehrlichkeit und Herzlosigkeit. Kein Wunder, dass Gott ein solches Treiben beenden will. Ausdauernd verkündet Jona den Einwohnern Ninives drei Tage lang Gottes Urteil, die Stadt nach 40 Tagen zu vernichten. „Gott hat keine Geduld mehr mit euch. Ihr denkt nur noch an euch“, warnt Jona die Menschen.

 

Das Wunder geschieht. Der König von Ninive tut Buße, tauscht sein prächtiges Gewand gegen ein Bußgewand und befiehlt seinen Untertanen, dasselbe zu tun. „Der 40. Tag ist angebrochen“, verkündet die Erzählerin. Die Stimmung knistert. Wird Gott sein angedrohtes Gericht ausführen? Nein! Die Freude in Ninive ist groß. Jona muss Gottes Barmherzigkeit erst verstehen lernen. Stürmischen Applaus gibt es vom Publikum. Großartig gespielt und gesungen!